Zehntausende frühere QuadrigaCX-Kunden haben ihre Ansprüche gegen die mittlerweile aufgelöste Börse angemeldet. Ein Anwalt fürchtet unter Verweis auf den Fall der 2014 zusammengebrochenen Börse Mt. Gox, die Streitigkeiten könnten ein langwieriges Unterfangen werden.
In seiner Aufgabe als QuadridaCX-Insolvenzverwalter teilte das Unternehmen Ernst & Young (EY) mit, dass inzwischen beinahe 17.000 ehemalige Nutzer Ansprüche auf eine Vermögenserstattung gegenüber der geschlossenen Börse geltend machten.
Laut dem Treuhänder wurden in den vergangenen 12 Monaten 16.959 Anträge registriert, in vielen Anträgen gehe es um anteilige Vermögensrückzahlungen in digitalen Währungen wie Bitcoin (BTC), Ethereum (ETH) oder auch Litecoin (LTC).
In anderen Anträgen soll es wiederum um Auszahlungen von Bitcoin Cash (BCH), Bitcoin SV (BSV) sowie Bitcoin Gold (BTG) gehen. Auch baten viele dem vom Gericht bestellten Kontrolleur um Hilfestellungen, um Börseneinlagen in Kanadischen Dollar oder US-Dollar zurück zu bekommen.
Aus der Dokumentation vom 12. Mai aus dem Hause EY geht hervor, dass sich die Forderungen insgesamt im Bereich von mindestens 167 und maximal 300 Mio. USD bewegen könnten.
Die Anspruchsberechnungen beziehen sich auf alle Anträge und Nachweise von EX-QuadrigaCX-Kunden, die bis zum Stichtag 06.05.2020 bei Ernst & Young vorlagen. Die eigentlich Frist für die Anmeldung von Ansprüchen verstreicht am 31. August, allerdings sind Änderungen nicht ausgeschlossen. Auch später könnte noch Unterlagen eingereicht werden, wie es aufseiten des Insolvenzverwalters heißt.
Bei E&Y geht man von einer notwendigen aller zur Ausschüttung vorgesehenen Mittel zunächst eine Umwandlung in Kanadische Dollar (CAD) oder vergleichbare, gleichwertige Devisen verlange. Eine Bewertungsgrundlage in diesem Punkt liegt noch nicht vor.
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QuadrigaCX rechnet mit einigem Zeitaufwand
Zwar liegen die Ansprüche E&Y nun vor, sodass die Arbeit schnell begonnen werden kann. Dennoch wird es höchstwahrscheinlich Monate oder sogar Jahre dauern, bis Auszahlungen an Nutzer umfassend erfolgen und es zur nötigen Opferentschädigung kommt.
Der als Insolvenzanwalt bei CoinDesks Consensus Distributed tätige Evan Thomas zieht Parallelen zur Bitcoin-Börse Mt. Gox. Diese stürzte im Jahr 2014 in die Pleite. Thomas verweist darauf, dass sich die Lösung dieses „Falls“ schon über mehr als fünf Jahre hinzieht.
Für Verzögerungen könnte Thomas sorgen, dass die Canadian Revenue Agency (CRA) einen Antrag auf Zahlung offener Steuerschulden gestellt habe. QuadridaCX-Nutzer müssten sich unter Umständen auf eine lange Zeit bis zur Auswahl einstellen, falls es zu einem Rechtsstreit zwischen Kunden und der Steuerbehörde kommt. Bevor Geld fließen kann, müsste dann erst der Streit aus der Welt geschafft werden.
Die Anwaltskanzlei Miller Thompson fordert als Vertreter der QuadrigaCX-Opfer die CRA in einem Brief am gestrigen Dienstag zur Stellung eines Anspruchs auf. Dies müsse geschehen, bevor wieder aufgetauchte Gelder an frühere Börsenkunden ausgezahlt werden können.
Die Steuerbehörde wird mit der Buchprüfung bei der insolventen Börse beginnen. Mit einer Antragstellung im Zusammenhang mit nicht gezahlten Steuern ist zu rechnen.
Problematisch könnte es werden, wenn die Kapitalverteilung an Einzelinvestoren oder Anlegergruppen einen Unterschied zwischen der geplanten Auszahlungssumme und den Treuhänder-Vorgaben erkennen lässt. Nutzer könnten hier die Verteilung anfechten. Auch hier drohen zeitliche Verzögerungen, wie Anwalt Thomas betont.
Im Januar 2019 hatte die BTC-Börse QuadrigaCX ihren Insolvenzantrag gestellt. Vorangegangenen war der plötzliche Tod des Börsen-CEO und -Gründers Gerald Cotten. Er allein war in Besitz der Zugangsdaten und privaten Schlüssel zu den Konten und Wallets der Börse. Verstorben war Cotten in Indien.
Bereits im Februar desselben Jahres übernahm Ernst & Young als Treuhänder das Ruder. Auf Basis des damaligen Bitcoin-Kurses waren Einlagen in Höhe von 167 Millionen USD verschwunden. Legt man den aktuellen Währungskurs zugrunde, entspricht das Gesamtvolumen sogar einer Summe von etwa 300 Millionen US-Dollar. Bis jetzt konnten die E&Y Experten nach eigener Aussagen vor allem von Drittfirmen als Geschäftspartner der Börse Vermögenswerte im Gegenwert von gut 30 Millionen US-Dollar zurückholen.